Tage der Wahrheit - Borderline, Krankheitseinsicht
...endlich kommt etwas Licht in die Dunkelheit...
Es kostet Energie und Kraft, diese elende Zerrissenheit. Immer zwischen 2 (sehr wichtigen?) Menschen hin und her gerissen zu sein.
Meine Mutter behandelt mich in den Phasen der familiären Tiefs nicht wie ihre Tochter, sondern eher wie eine Freundin. Oder manchmal sogar ihre Therapeutin. Jedenfalls wie jemanden, dem man sein Herz ausschüttet, von dem man Rat, Zuwendung und Aufmunterung erwartet.
Sehr oft kommt mir auch vor, unsere Rollen wären vertauscht, sie ist das Kind und ich die Mutter. Rückblickend habe ich das Gefühl, wir haben das auch immer so gelebt. Es war ganz selbstverständlich.
Irgendwann ist mir gedämmert, dass diese Rollenverteilung nicht stimmt. Natürlich weiß ich, dass sie das es nicht ihre Absicht war und ist, mich zu belasten.
Es steht also auf der einen Seite meine Mutter, die absolut in der Opferrolle feststeckt und Zuspruch von mir erwartet. In regelmäßigen Abständen meldet sich auch mein Vater bei mir, besonders in "Krisenphasen", der auslotet, ob ich was weiß und wieviel. Denn insgeheim weiß er, dass es mir trotz hunderter Kilometer Entfernung nicht verborgen bleibt, was (in meinem früheren) zu Hause abgeht.
Und dann ruft er halt an...und ich merke, er testet, wie ich reagiere. Ob ich ihn noch "mag". In solchen Momenten hasse ich sie alle. Wieso kriegen sie ihre Probleme nicht endlich selber in den Griff? Es wird von mir erwartet, es allen recht zu machen: Ich muss meiner Mutter zuhören und sie aufbauen und bestärken. Ich muss meinem Vater gegenüber loyal sein, denn die partnerschaftlichen Probleme meiner Eltern sind wirklich nicht meine Angelegenheit. Ich bin zwar kein Einzelkind, aber im Glauben, eins zu sein und als solches aufgewachsen. Daher muss ich mich der Aufgabe, mich um meine Eltern zu kümmern ganz allein stellen. Und ganz wichtig, ich muss die Fassade der intakten Familie nach außen perfekt wahren.
Über die Jahrzehnte hat mich das zu einem brodelnden Vulkan gemacht. Es ist schwer zu beschreiben, wieviel Kraft es kostet, den Ausbruch des Vulkans zu verhindern. In Wahrheit weiß ich gar nicht, was mich so lange dazu bewegt hat, immer den Mund zu halten. Vermutlich meine Freundin - die Angst.
Dennoch ist er gekommen...Der Tag X...Der, an dem sich mein Frust, meine Wut, all meine aufgestauten Gefühle Luft machen. Der Vulkan hat dem Druck nicht mehr standgehalten. Irgendwann geht es einfach nicht mehr.
An jenem Tag X wird mein Vater das erste mal konfrontiert, mit dem was sein Verhalten bei seiner Familie angerichtet hat. Auf, wie ich finde, sachliche und dennoch emotionale und sehr ehrliche Art konfrontiere ich ihm mit dem Resultat der jahrelangen Problematik. (Problematik? ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll)
Noch nie in meinem Leben habe ich etwas gemacht, was mich mehr Kraft und Überwindung gekostet hat. Ich habe gezittert, geschwitzt, ich wusst nicht ob ich lachen oder weinen sollte.
Trotzdem habe ich hinterher festgestellt, dass ich mich noch nie auf so eine alles umfassende Art und Weise befreit gefühlt habe. Ich war zwar erledigt, fix und fertig, als wäre ich auf den höchsten Berg der Welt geklettert, aber ich fühlte mich befreit.
Und dann war ich natürlich aufgeregt, wie ich es nicht mal vor der schwierigsten Mathe-Schularbeit je gewesen bin. Wie wird er auf meine Offenbarung reagieren? Und was ist mit meiner Mutter?
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