Späte Mütter sind bessere Mütter - nicht unbedingt

All jene, die jünger als 20 Jahre waren, als sie ihr erstes Kind zur Welt brachten haben sich vermutlich schon mit Vorurteilen oder "Besserwissereien" herumschlagen müssen.

Und haben mit Sicherheit trotzdem längst festgestellt: Mütter sind anders als Wein...die werden nicht immer besser, je älter sie sind!

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Seit gefühlten 7 Stunden sitze ich jetzt mit einer Mädelsrunde am Tisch. Ein Blick auf die Uhr verrät mir jedoch, dass tatsächlich noch nicht mehr als 42 Minuten vergangen sind. 42 Minuten, in denen die vier Neumütter die Vorzüge und Nachteile von Kinderwägen bis ins Detail erörtert haben. Die Strahlenbelastung diverser Babyphone diskutierten...Die Hautfreundlichkeit von Babywindeln analysierten..Komplexe Thematik. Anscheinend.

Na klar, alles essentielle Themen, deren immense Wichtigkeit man halt erst ab einem Gewissen Alter versteht.

Sowas zu peilen bist du erst in der Lage, wenn eine stattliche Anzahl von Kerzen deine letzte Geburtstagstorte geziert hat: "Nicht wahr, du warst ja mit ganz anderen Sachen beschäftigt. In deinem Alter!"

Klar, ich war ja dämlich genug, ein Kind zu bekommen, jung und zu blöd zum Verhüten halt.

Zugegebenermaßen habe ich vor meiner ersten (überraschenden) Schwangerschaft nicht meine wirtschaftliche Situation, die Weltpolitik und den Klimawandel genau analysiert. Ich habe keinerlei Überlegungen angestellt, ob ich mein Kind biologisch, vegan oder flexitarisch ernähren möchte. Und ob ich einen Kinderwagen mit 3 oder 4 Rädern brauche, hätte ich damals wahrscheinlich auch nicht sagen können.

Hatte ich Ahnung, was auf mich zukommt, wenn ich ein Kind bekomme? Nein, die hatte ich nicht im Entferntesten und genau dieser Punkt ist die einzige Gemeinsamkeit. die wir teilen.

Also auf diese eine Art und Weise gehöre ich dazu. Das würde allerdings nie auch nur eine der Mädels zugeben.

Somit bleibe und bleibe ich in dieser Runde die Aussenseiterin. Weil meine Kinder "dem Gröbsten" schon entwachsen sind. Weil wir alle zwar beinahe gleich alt sind, ich allerdings schon 10 Jahre vorm Durchschnitt in die Rolle der Mutter geschlüpft bin.

Dass ich im zarten Alter von 19 Jahren mein Handtäschchen gegen Wickeltasche getauscht habe, ist vermutlich der Hauptgrund für die regelmäßigen direkten oder durch-die-Blume formulierten Ansagen, a´la "du wusstest es damals halt noch nicht besser!"

Ich versuche jedesmal, dem Impuls zu widerstehen, mir die Haare zu raufen und Urgeräusche des Unmuts von mir zu geben. Nein, diese Blöße gebe ich mir dann doch nicht.

Im Gegenteil, ich denke dann daran, dass ich vielleicht sogar weitaus weniger blauäugig ins Abenteuer Mutter gestartet bin, als viele meine cleveren Mitmütter um die Dreißig.

Möglicherweise mit viel mehr Intuition, dafür weniger wissenschaftlich fundierten Testergebnissen von Tragetüchern und Beistellbettchen.


Ok, eins will ich jetzt mal nicht schönreden. Eine echte Herausforderung waren auf alle Fälle die so plötzlich unterschiedlichen Interessen und Prioritäten innerhalb meines Freundeskreises und die damit verbundene Verkleinerung dessen. Aber gut, mein Kind war vom ersten Tag an der Mittelpunkt meines Lebens, und so habe ich gelernt mich von einer Menge Ballast (dazu gehören auch Schönwetterfreunde) zu verabschieden.

Die verständnislosen Blicke und unqualifizierten Kommentare - Sie stillt zu oft, trägt zu viel, achtet zu streng auf die Ernährung, kurz, sie gluckt!!?? - hab ich so gut es ging ausgeblendet und kurzerhand mein geschrumpftes soziales Umfeld auf Menschen mit den selben Lebensumständen - also Mütter - erweitert. Das ist nämlich mal das Tolle am Mutter-Sein.

Sind einem nach Übersiedelung, Geburt oder sonstigen freudigen Ereignissen so genannte Freunde abhanden gekommen - fast kein Problem, die Still- oder Spielgruppe und der Spielplatz bringen das schon wieder in Ordnung. So lange Kinder klein sind, findet man unglaublich schnell Anschluss zu Gleichgesinnten. Sogar echte Freundschaften können sich daraus entwickeln.

Ich kann allen Neu-Müttern, besonders den einsameren raten, diese ersten Jahre mit Kind zu nutzen, um auf Freundschafts-Akquise zu gehen. So einfach wie während dieser Zeit funktioniert das wahrscheinlich nie wieder. Im Gegenteil. Seit meine lieben Kleinen zu rebellischen Teenies herangewachsen sind, habe ich so meine Nöte, mich nicht in der Isolationsfalle zu verheddern. Aber das ist ein anderes Thema und dazu vielleicht an anderer Stelle mehr.

Auf alle Fälle habe ich es immer schon ziemlich unfair und daneben gefunden, wenn mir zu verstehen gegeben wurde, dass ich mit U20 über unzureichende Fähigkeiten ein Kind zu erziehen verfügen würde. Warum?

Weil mir die Marke des Kinderwagens völlig egal war? Weil ich nicht darauf geachtet habe, ob der Wickeltisch farblich zum Gitterbettchen passt? Wahrscheinlich fällt das unter die Vorstellung vieler von wegen "dem Kind was bieten" 

Mein Stillen, Tragen, Familienbett und "Ernährungs-Tamtam" waren damals Unwissenheit und Unreife. Bei älteren Müttern gehört es fast schon zum "Lifestyle".

"Josefine-Marie wird bis zum 6. Lebensjahr gestillt und anschließend vegan ernährt."

Ich denke, unabhängig vom Lebensalter gibt es einfach Situationen, in denen ist jeder ratlos und sehr gefordert.

Beim ersten Kind ist jeder Anfänger, egal ob 20 oder 30. Schlafmangel, zahnen, wunde Brustwarzen und schreiende Babies machen einen manchmal einfach fertig, sogar wenn die Gitterbettmatratze ergonomisch geformt, der Stoff des Tragetuchs reinste Biobaumwolle und das Babyfon mitsamt seiner Überwachungskamera Testsieger ist, weil strahlungsarm.


Es ist doch schön zu sehen, dass es hier jung und älter genau gleich geht...da fällt es sehr schwer, einen kleinen Anflug von Genugtuung zu unterdrücken...jawoll... sie haben schon was drauf, die jungen Mütter. Und darauf dürfen sie auch stolz sein!

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veröffentlicht am 11.02.2018 von Radiergummi
geändert am 27.04.2020 von Radiergummi



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