Schneewittchen - Symbole -Interpretation: Märchendeutung

Die Liste der Symbole im Märchen "Schneewittchen" ist lang. Sie beginnt mit der leiblichen Mutter Schneewittchens, die sich eine wunderschöne Tochter wünscht - mit Haaren so schwarz wie Ebenholz, einer Haut so weiß wie Schnee und Lippen so rot wie Blut. Ihr folgt die Stiefmutter, die ständig den Spiegel befragt, wer wohl die Schönste im ganzen Land sei.

Mehreren männlichen Figuren kommen mehr oder weniger wichtige Rollen zu: dem Vater, dem Jäger, den 7 Zwergen und natürlich dem Königssohn.

Dazwischen finden wir noch einen zweifärbigen Apfel, einen Kamm und einen Gürtel. Einen gläsernen Sarg, eine Hochzeit und glühende Kohlen, auf denen sich die böse Stiefmutter schlussendlich zu Tode tanzen muss.

Wichtig sicherlich auch die Berge, hinter denen die 7 Zwerge leben und die Fragen der Zwerge: "Wer hat von meinem Tellerchen gegessen, in meinem Bettchen geschlafen,..."


Wie jedes Märchen kann auch das Schneewittchen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. In diesem Fall wird die Zeit der Pubertät näher unter die Lupe genommen, die Loslösung des Kindes von den Eltern und ganz im Speziellen ein Konflikt zwischen Mutter und Tochter der entstehen kann, wenn von Seiten der Mutter Selbstzweifel bestehen, die mit übertriebenem Schönheitswahn zu kompensieren versucht werden.

Schnee, Blut, Ebenholz

Es war also einmal eine Königin, die am Fenster saß und nähte. Sie dachte sich, wie schön es doch wäre, ein Kind zu haben. Ein wunderschönes Kind, mit einer Haut so weiß wie Schnee, Lippen so rot wie Blut und Haaren so schwarz wie Ebenholz.

Und siehe da, schon bekamen die Königin und der König eine Tochter, die mit Schönheit reich gesegnet war.


Hier stellt sich gleich die erste Frage: Warum ist es der Mutter so wichtig, dass ihr Kind außergewöhnlich schön ist?

Anscheinend, weil sie auch bei sich selber großen Wert auf Äußerlichkeiten legt, denn wie wir erfahren, befragt sie regelmäßig ihren Spiegel, wer denn die Schönste im ganzen Land sei.

Vor der Geburt Schneewittchens und in deren ersten Lebensjahren bekommt die Königin jedesmal die ersehnte Antwort: Sie, die Königin sei die Schönste.

Spieglein, Spieglein an der Wand

Was hat es mit diesem Spiegel auf sich? Könnte er für den König, also Schneewittchens Vater, stehen, dessen Zuneigung und Liebe die Königin immer und immer wieder bestätigt haben muss?

Wenn es so ist, kann man sich vorstellen, dass das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter ein angespanntes und von Konkurrenzdenken geprägtes ist.

Die Schönheit Schneewittchens, die anfangs ja von der Mutter so sehr erwünscht war, führt ihr jetzt aber jeden Tag vor Augen, dass sie älter wird und ihre eigene jugendliche Schönheit etwas zu verblassen beginnt.

Das ist natürlich ein herber Schlag für eine Frau, die sich jahrelang über ihr Äußeres definiert hat.

Schneewittchen ist tausendmal schöner als ihr

Schneewittchen wird also größer und älter und eines Tages antwortet der Spiegel auf die vertraute Frage mit den Worten, dass die Königin zwar die Schönste im Land, Schneewittchen jedoch tausendmal schöner sei als sie.

Ist es hier der Vater, der zwischen Ehefrau und Tochter steht? Vielleicht wagt er es, aus welchen Gründen auch immer, plötzlich eine eigene Meinung zu haben und diese vor seiner Frau zu vertreten.

Im Märchen stirbt Schneewittchens Mutter und der Vater nimmt sich eine neue Frau, welche dann Garstigkeiten an dem Mädchen auslässt.

Vielleicht soll das aber einfach verdeutlichen, dass ein Persönlichkeitsanteil der Mutter mit den Jahren abgestorben ist. Ein fürsorglicher, mütterlicher, liebevoller Teil.

Möglicherweise sogar geichzusetzen mit einer psychischen Krankheit bei der Selbstwert so niedrig ist und deshalb mit extremer Eitelkeit kompensiert wird. So extrem, dass die Mutter sogar daran denkt, ihr Schneewittchen töten zu lassen, nur um wieder die Schönste sein zu können.

Der Jäger, der das Mädchen im Wald umbringen soll kann da aber nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und lässt Schneewittchen laufen.


Die Tochter hat glücklicherweise ein stabiles Selbstbewußtsein und lässt sein "ICH" von der herrschenden Mutter nicht auslöschen.

Dass eine Kindheit mit so einer Mutter wahrlich nicht einfach ist, kann man sich nur gut vorstellen.

Wer hat von meinem Tellerchen gegessen

Schneewittchen irrt also erst im Wald umher, findet schließlich ein Häuschen. In diesem befindet sich ein gedeckter Tisch mit sieben Tellerchen, sieben Becherchen und sieben Bettchen.

Unentschlossen probiert das Mädchen von überall einen Bissen, einen Schluck und alle Betten bis es sich endlich in passendes legt und schläft.

Schneewittchen erwacht, als plötzlich die Herren dieses Häuschens - die sieben Zwerge - nach Hause kommen.

Es erschreckt sich fürchterlich, die Zwerge jedoch sind freundlich und nehmen es sehr gerne auf - Schneewittchen soll dafür das Häuschen sauber und ordentlich halten während die Zwerge im Berg arbeiten.


Ein Mädchen befindet sich in diesem Alter in einer schwierigen Zeit, muss sich erst selbst finden, viel ausprobieren, entdecken, wer es wirklich ist. Eigentlich völlig normal auf dem Weg ins erwachsen werden.

Der erholsame Schlaf im Bettchen von einem der Zwerge bedeutet vielleicht das Ende eines Reifeprozesses - das Mädchen ist jetzt eine junge Erwachsene.

Ein Kamm, ein Gürtel und ein vergifteter Apfel

Schneewittchen hält den Haushalt der Zwerge in Schuss und macht das anscheinend mit viel Freude und Pflichtbewußssein. Das könnte bedeuten, das Mädchen ist gereift, hat ihre Gedanken und Sinne geordnet und ist erstmal mit sich im Reinen.

Die Zwerge symbolisieren die Vernunft in uns, die klaren Gedanken. Sie warnen uns, auf keine "böse Königin" reinzufallen.

Denn die probiert immer wieder, Schneewittchen zu töten um so die lästige Konkurrenz loszuwerden.

Schneewittchens (Stief-?) Mutter kommt zweimal als Krämerin verkleidet. Zum einen mit einem vergifteten Kamm, den sie in des Mädchens Haare steckt, das zweite mal mit einem schönen Gürtel, den sie ihr viel zu eng anlegt. Beide male fällt Schneewittchen leblos zu Boden.

Die sieben Zwerge sind nach ihrer Ankunft im Häuschen natürlich völlig verzweifelt und haben Angst, Schneewittchen sei tot. Diese erwacht jedoch nach der Entfernung des Kamms und des Gürtels jedesmal wieder zum Leben und verspricht hoch und heilig, nie wieder die Tür aufzumachen.


Das Mädchen ist jetzt zwar erwachsen, ihm fehlt jedoch verständlicherweise noch ganz viel Lebenserfahrung und so erlebt es natürlich auch so manch unangenehme Situation und bemerkt vielleicht, dass sie der Macht der Mutter, die sich immer noch mit ihr zu messen versucht, noch nicht gänzlich entkommen ist.

Möglicherweise ging der Schritt auf die Mutter zu von dem Mädchen aus, dass sich natürlich nach einer fürsorglichen, liebevollen Person in ihrem Leben sehnt.

Leider musste sich erkennen, dass es von seiten der Mutter nach wie vor nicht mit Unterstützung rechnen kann.


Schneewittchen schwört also, keinem die Tür zu öffnen, wenn die Zwerge bei der Arbeit sind. Trotzdem kann sie nicht widerstehen, als es erneut klopft und eine Bäuerin vor ihr steht, die ihr einen wunderschönen Apfel anbietet. Schneewittchen, mittlerweile misstrauisch geworden, ist lang standhaft und lehnt das verlockende Angebot ab. Als die Bäuerin jedoch vorschlägt, den Apfel zu teilen, um zu beiweisen, dass es kein vergifteter ist, nimmt sie das Angebot an. Die verkleidete Königin teilt also den Apfel in zwei Hälften, gibt Schneewittchen die rote und behält sich selber die grüne Hälfte.

Kaum hat Schneewittchen von dem Apfel probiert, fällt es tot auf die Erde.

Dass es diesmal ernst ist, bemerken auch die sieben Zwerge, die abends von ihrer Arbeit im Bergwerk zurückkommen. Für sie gibt es keinen Zweifel, wer schuld an dieser Katastrophe hat. Die eifersüchtige Mutter.

Voller Trauer legen die sieben Zwerge Schneewittchen in einen gläsernen Sarg und beweinen es.

Ein gläserner Sarg und glühende Kohlen

Vielleicht bedeutet das den erneuten Rückzug des Mädchens. Nach so vielen Rückschlägen und dem erneut so großen Verrat der eigenen Mutter ist es mit seinen Kräften am Ende und braucht Zeit für sich. In dieser Zeit kann sie wieder ein Stück weit reifer werden, ihr Leben ausrichten und sich Gedanken machen, wohin ihr Weg sie führen soll. Das Symbol der Leblosigkeit deutet auf die Ernsthaftigkeit der Situation hin. Das Mädchen ist traurig, in sich gekehrt und für die Außenwelt nicht wirklich greifbar.


Ein vorbeireitender Königssohn, der von Schneewittchens Schönheit so berührt ist, möchte den gläsernen Sarg mit Hilfe der sieben Zwerge zu seinem Schloss bringen, um sich für immer an dieser makellosen Vollkommenheit zu erfreuen.

Dabei passiert ihm ein Missgeschick, er stolpert, Schneewittchen wird unsanft durchgerüttelt und kann sich dadurch des vergifteten Apfels entledigen, der ihr alle Lebensenergie raubte.

Das Ende der Geschichte sind die Hochzeit des Königssohnes und Schneewittchens, zu der natürlich auch die sieben Zwerge eingeladen sind.

Auch die böse Königin ist Teil dieser Feier und muss in Eisenpantoffeln so lange auf glühenden Kohlen tanzen, bis sie tot umfällt.


Schlussendlich schafft das Mädchen im richtigen Leben auch das, was Schneewittchen hier im übertragenen Sinn gelungen ist. Trotz vieler Rückschläge und Enttäuschungen ist sie sich selber immer treu geblieben, hat ihre Persönlichkeit und ihren Selbstwert nicht von neidischen und missgünstigen Menschen in ihrem nahen Umfeld zugrunde richten lassen.

Sie hat sich die Zeit genommen die sie brauchte um ihre Sinne reifen zu lassen (die sieben Zwerge) und ist gestärkt aus diesen Krisen hervorgekommen.

Schlussendlich symbolisiert die Hochzeit mit den Königssohn, dass Schneewittchen nun reif genug ist, für sich selbst einzustehen und in ihrem Leben reichlich Platz für ihre Liebe ist.

Mit den negativen und zerstörerischen Aspekten ihrer Vergangenheit konnte sie abschließen und diese für immer zurücklassen.

Ob die Vernichtung der bösen Königin den endgültigen Bruch des Mädchens und seiner Mutter darstellt oder doch eine Art Versöhnung der beiden - vielleicht mit Therapie der Mutter oder einer Aussprache - wer weiß...



*Hier noch einmal der Hinweis, dass jede Märchendeutung nur ein Vorschlag von vielen ist und weder das Recht auf Richtigkeit noch auf Vollständigkeit erheben kann. Jeder ist wie immer herzlich eingeladen, uns seine Ideen und Gedanken rund um das Rumpelstilzchen mitzuteilen!*

positive Bewertung({{pro_count}})
Beitrag bewerten:
{{percentage}} % positiv
negative Bewertung({{con_count}})

DANKE für deine Bewertung!


veröffentlicht am 30.01.2019 von Radiergummi
geändert am 08.06.2020 von Radiergummi



Fragen / Kommentare


Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Mehr Details