Rumpelstilzchen - Märchen Interpretation: Märchendeutung

Rumpelstilzchen...ein echter Klassiker...Jeder kennt das kleine, jähzornige Männchen, dessen Wut ihm selbst zum Verhängnis wird. 

Märchen - Symbole - Deutung -Interpretation

Welche Symbole sind typisch für das Märchen Rumpelstilzchen? Der Müller und seine schöne Tochter, der habgierige König; Das viele Stroh, das die Müllerstochter angeblich zu Gold spinnen kann; Eine Halskette, ein Ring, ein kleines (auf den ersten Blick) hilfsbereites Männchen, ein Baby; Interessant sind auch der Wald in der eine kleine Hütte steht und das Feuer, um welches das Männchen herumtanzt...

Nicht zu vergessen die Boten, die keine Mühen scheuen und tagelang allen Namen des Landes erfragen. Beeindruckend ist auch das Ende des Märchens, dessen Verstrickungen aufgelöst werden, allein durch die Benennung des Männchens.

 

Nun versuchen wir, die Hauptaspekte des Märchens zu deuten, wobei darauf hingewiesen sei, dass dies nur eine Deutungsmöglichkeit von vielen ist. Gedeutet wird hier in der Annahme, dass alle Personen, Fabelwesen und Symbole im Märchen Anteile der eigenen Persönlichkeit (des Lesers des Märchens) sind. 

Rumpelstilzchen - der Müller und seine Tochter

Beginnen wir mit der Beziehung zwischen dem Müller und seiner (schönen) Tochter, die er einerseits über alles liebt, andererseits unter Vortäuschung falscher Tatsachen zum König schickt, obwohl er vermutlich weiß, dass der König kurzen Prozess mit der Tochter macht, sollte sich die Behauptung des Müllers als unwahr herausstellen. Wie sollte sie auch Stroh zu Gold spinnen können?

 Warum macht der Müller das? Weiß er doch, dass das seiner Tochter großen Kummer bereitet und es ihr obendrein vielleicht das Leben kostet. Vielleicht ist der Müller unserer innerer Antreiber, der uns zu Erfolg drängt, uns ehrgeizig und manchmal auch risikobereit sein lässt. Wer kennt solche Situationen nicht: Um auf der Karriere Leiter eine Sprosse weiter nach oben zu klettern, erscheint es oft notwendig, uns besonders gut zu verkaufen und schon mal dick aufzutragen. Also zu behaupten: "Ich bin dem Job gewachsen, ich kann Stroh zu Gold spinnen!"

Im übertragenen Sinn würde das Märchen vielleicht so weitergehen:

Nachdem die junge Frau ihren vermeintlichen Traumjob ergattert hat, gibt sie alles, um dessen Anforderungen zu entsprechen, um ihr Umfeld und vor allem sich selbst nicht zu enttäuschen. Sie merkt jedoch bald, dass sie sehr gefordert (überfordert) ist, denn das Lösen der vielen Aufgaben, die jeden Tag aufs Neue auf sie warten (jede Nacht eine neue Kammer voller Stroh) verlangt ihr bald alles ab.

Glücklicherweise verfügt sie über Ressourcen, die sie im entsprechenden Moment auch abrufen kann. Sie "kniet" sich in ihre Arbeit, kennt kaum Pausen macht erst Feierabend, wenn alles zu ihrer vollsten Zufriedenheit erledigt ist. (Das Männchen, das übereifrig spinnt)

Stroh zu Gold

Um im Beruf zu tadellos zu funktionieren, ist sie bereit, Kompromisse einzugehen.. Es kann sein, dass sie ihre Freizeit beschneidet, in dem sie Überstunden macht. (Die Müllerstochter schenkt dem Männchen ihre Halskette) So ein bisschen Stress ist schließlich auszuhalten. 

Dieser Stress nimmt jedoch kein Ende, nein, die Anforderungen werden mehr und gleichzeitig komplexer, die Verantwortung ist groß. Freizeit, die gibt es kaum noch. Freunde treffen oder einfach mal die Seele baumeln lassen, ist zeitlich kaum machbar. Gut, für den (Traum-) Job verzichtet die junge Frau erstmal auf diese Dinge. (Die strohgefüllten Kammern werden immer größer, die Müllerstochter schenkt dem Männchen ihren kostbaren Ring um weiter zu bestehen)

Das geht weiter und weiter, bis die Frau merkt, es ist zuviel, sie lebt nur noch für ihre Arbeit und hat dennoch das Gefühl, den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Sie gibt alles für ihren Job und findet selbst, mehr geht nicht.

(Die Müllerstochter weiß nicht, was sie dem Männchen noch geben soll, damit es für sie arbeitet. Sie hat doch schon alles gegeben. Das Männchen weiß jedoch genau, was es will und fordert das Erstgeborene Kind der Müllerin, dafür spinnt es auch eine weitere Stroh-Kammer zu Gold)

Das ist vielleicht der Moment, in dem die junge Frau erstmal körperliche und/oder seelische Auswirkungen ihrer Arbeitshaltung spürt. Aber immerhin, sie funktioniert immer noch. Sie hat Kopfschmerzen, ein Magengeschwür, Schlafstörungen, leidet an innerer Unruhe, bringt aber dennoch ihre Leistung.

Die Stelle, an der das Männchen das Kind fordert zeigt deutlich, dass es ab jetzt ans Eingemachte geht. Jetzt fordert die lang andauernde Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse und die mangelnde Selbstfürsorge ihren Zoll. Der Körper zeigt die Symptome nur allzu deutlich, diese können jedoch weiterhin verdrängt werden. Und das sogar sehr erfolgreich! Die Frau wird beispielsweise befördert. (Die Müllerin wird zur Königin)

Die Freude darüber währt jedoch nur kurz, denn mittlerweile ist nicht mehr viel übrig von dem Elan und der Leistungsfähigkeit der jungen Frau. Sie sieht ein, dass sie etwas ändern muss, wenn sie nicht zusammenbrechen oder in ein Burn out schlittern will. Somit beginnt sie, erstens, sich Strategien zu überlegen, wie sie den Teufelskreis der Überforderung und des Leistungsdrucks unterbrechen kann und zweitens, sucht sie nach der Ursache ihrer Erschöpfung. Für Außenstehende mag es offensichtlich sein, wo die Problematik ihren Ursprung hat und so manche Person im näheren Umfeld der jungen Frau fragt sich schon lange, wohin ihr "Workaholismus" noch führen soll und wann sie endlich aufwacht. Aber wie es eben so ist, auf den eigenen Baustellen sind wir meistens lange Zeit betriebsblind.

Ach wie gut dass niemand weiß...

Im Märchen wird die Problemsuche daran ersichtlich, dass die Königin Boten ausschickt, sich überall erkundigt nach den ausgefallensten Namen dieser Welt. Schließlich hat ihr das Männchen schlimme Konsequenzen angedroht, falls sie die Lösung nicht findet. Das Symbol des Kindes, dass das Männchen holen möchte soll hier verdeutlichen, dass die Frau etwas sehr wichtiges, ja, lebenswichtiges verlieren wird, wenn sie nicht endlich auf ihren Körper hört.

(Männchen droht - finde meinen Namen oder ich nehme dir dein Kind.

Der Körper mahnt - höre auf meine Bedürfnisse oder ich breche unter der Last zusammen.)

Die Erlösung findet statt, als ein Bote der Königin endlich den richtigen Namen gefunden hat. Tief im Wald, wo ein kleines Männchen um ein Feuer vor seiner Hütte tanzte.

Die junge Frau schafft es, den Teufelskreis der Überforderung zu durchbrechen, als sie endlich in sich geht, auf sich selber hört. (der Wald steht hier für die im Alltag unbewussten Seelenanteile, ebenso ist die Hütte ein Teil davon). Das Feuer samt dem Männchen zeigt sehr gut, wie etwas, dass uns im positiven Sinn antreibt und unseren Ehrgeiz weckt, rasch umschlagen kann und dann krankmachend und zerstörerisch wirkt. Das Benennen des Problems macht es greifbar und nimmt ihm das Bedrohliche des Unbekannten. Somit ist dann möglich, die Situation aktiv zu verändern. Sei es durch Anpassung des Arbeitsalltages, durch das Erlernen einer Entspannungstechnik oder einer von unzähligen anderen individuellen Möglichkeiten der Entschleunigung.

 

*Hier noch einmal der Hinweis, dass jede Märchendeutung nur ein Vorschlag von vielen ist und weder das Recht auf Richtigkeit noch auf Vollständigkeit erheben kann. Jeder ist wie immer herzlich eingeladen, uns seine Ideen und Gedanken rund um das Rumpelstilzchen mitzuteilen!*

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veröffentlicht am 11.02.2018 von Radiergummi
geändert am 23.02.2019 von Radiergummi



Fragen / Kommentare


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✍Anonym
erstellt am 08.07.2020 19:07
Mir ist aufgefallen, daß es sich um ein " MÄNNCHEN " also um ein ES handelt. Weder Mann noch Frau. Noch Kind. ES hat sich im WALD,
in der Einsiedelei komfortabel eingerichtet. ES backt Brot, ES braut Bier : für das laibliche Wohl ist gesorgt durch Fleiß und Wissen. Auch das Feuer beherrscht ES und verehrt das Feuer in gewissem Sinne, indem ES darum tanzt. ES ist also nicht nur jähzornig,
nein, auch fröhlich und gut im Leben, dem Lebendigen eingerichtet. Dennoch in dem Wunsch, ein KIND zu bekommen, offenbart sich sein
Defizit, seine Einsamkeit, seine Sehnsucht nach einem DU. Umstände erfüllen ihm diesen Wunsch durch Darbringung seiner einzigartigen Fähigkeit, Stroh zu Gold zu spinnen; diese Gabe macht in seinem! Leben keinen Sinn, erst in Kontakt mit der Aussenwelt, dem Verlassen des " Seelenverlieses Wald ", in Kontakt mit der verführerischen Menschenwelt, hier die schöne Müllerstochter, wird diese Begabung zur Befreiung, indem ES sich ein lebendiges DU wünscht - also keine Intimität wie man vordergründig hier denken könnte....

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