Status...

Ein Bild, ein Satz lassen uns teilhaben am Leben anderer. Freilich ist es nur eine Minisequenz aus deren Leben. Ein winzig kleiner, gefilterter zurechtgeschminkter Ausschnitt.

"Lass dich davon bloß nicht blenden", sagt mir die Gehirnhälfte, die für rationales Denken zuständig ist, immer und immer wieder.

Jedenfalls sind diese Bilder immer supidupitoll. Lachende Erwachsene, glückliche Kinder Pädagogisch wertvolle Brettspiele um die sich die gesamte Familie tummelt. Kunstvoll bis kitschig arrangierte Schultüten, Geburtstagstorten, Ausflüge und Wanderungen.

JAWOHL, Wanderungen mit der Familie.

Sehen kann diese Statusbilder, so wie ich, jeder. Egal ob die Omi, die beste Freundin, der neurotische Nachbar oder die in den Handykontakten gespeicherte Mutti 300 Kilometer entfernt, der vor fünf Jahren das alte Gitterbett verkauft wurde.

Heute ist es das Bild eines Ausflugs, das mich in seinen Blender-Bann zieht. Ich sehe eine grüne Wiese, blauen Himmel, wunderschöne Berge im Hintergrund. Ich sehe Kinder und ihre Eltern mit glücklichen Gesichtern, Rucksäcke gefüllt mit Proviant für das Picknick, irgendwo auf weiter Flur. Und noch bevor besagte Gehirnregion, zuständig für Rationalität und Realitätserhaltung "ALLES FASSADE" brüllen kann, macht irgendeine verräterische Synapse eine Vollbremsung, trickst mich aus und ich denke: "Boah, dieses Bild, ich mag das auch..."

Gedacht getan, ein Ausflug mit den Lieben wird geplant. Mein Mann, die Kinder, wir alle werden einen wunderschönen Tag zusammen haben.

Bevor die "Causa Ausflug" innerhalb der Familie thematisiert werden kann, gibt es noch allerhand zu überdenken. Schließlich möchte Mutti all ihre Schäfchen dabei haben. Das heißt, möglicherweise hält sich die Begeisterung der Kinder für Wiesen, Berge und generell so Naturkram in Grenzen.

Die Altersspanne unserer Kinder zieht sich über mehrere Jahre. Von Vor- akut- bis Spätpubertär ist da alles dabei.

Im Geiste erstelle ich also so eine Art Powerpoint Präsentation in der ich alle Register ziehe, um die Beschreibung des Ausflugs genau auf die Bedürfnisse des jeweiligen Zuhörers anzupassen. Das ist manchmal ein bisschen wie TABU spielen. Bestimmte  Wörter dürfen unter keinen Umständen fallen:

Ein bisschen früher aufstehen (vor 13 Uhr)

Anfahrt mit dem Auto über 30 Minuten.

WANDERN. Vorsicht, dieses Wort an falscher Stelle erwähnt und es kann passieren, dass erste Familienmitglieder abspringen.

Die Verarbeitung solcher Informationen in den Köpfen meiner Kinder lässt sie zusammenfassend zu folgendem Schluss kommen: "Wir müssen also mitten in der Nacht aufstehen, 100 Stunden mit dem Auto fahren und dann ewig durch die Gegend latschen."

Daher ist also Vorsicht bei der Wortwahl geboten. Erste Erfolge hingegen sind daran zu erkennen, dass Verhandlungen begonnen werden. Da wäre zum einen die Verpflegung. Ohne die geht nichts. Je kleiner die Kinder, desto wichtiger. Ich kann allerdings aus eigener Erfahrung sagen, dass auch in späteren Jahren das regelmäßige Füttern der Brut zur Erhaltung des Familienfriedes erheblich beiträgt.

Lange Rede kurzer Sinn, die Motivation der Kinder zu wandern sinkt vergleichbar zum Füllstand des Rucksacks. Ich bemerke einmal mehr, dass ich wahrlich die Einzige bin, die die Schönheit und Ruhe der Natur zu schätzen weiß.

Und ich gebe zu, auch meine Fähigkeit, euphorische Schwingungen wie Glitzerstaub  über meine Familie zu streuen hat ihre Grenzen. So kommt es meistens, dass wir alle mittelschwer genervt den Rückweg antreten. Die Kinder, nun doch um Good Vibes bemüht, wollen retten, was zu retten ist und beteuern, soo schlimm wars ja doch nicht. Das nächste Mal aber bitte trotzdem lieber Freizeitpark. Und jetzt noch schnell zu McDonalds, weil alle so brav gewandert sind. Mir bleibt auch wirklich nichts erspart.