Imaginäre Freunde

Ich wuchs überbehütet und was mein Zuhause betraft, recht isoliert auf. Mein Vater hatte es nicht so mit sozialen Kontakten und die wenigen, die meine Mutter hatte, verstand er widerspruchslos zu unterbinden.

Klar hatte ich Freunde und ich verbrachte auch viel Zeit mit meinen Cousinen, die in meinem Alter waren. Doch die Stunden, die ich als ein Kind, das ohne Geschwister aufwächst, allein verbracht habe, waren zahlreich und haben mich sehr gelangweilt. 

Deshalb erfand ich kurzerhand meine eigene Welt.

In dieser Welt gab es allerhand bunte Erlebnisse, aber das allerwichtigste war: Ich war hier nie allein. In dieser Welt war mein Vater ein völlig anderer Mensch. Er war einfach der Mensch, den ich von unseren sonnigen Tagen kannte. 

Ich hatte auch Geschwister und zwei allerbeste Freunde, die mich zu jeder Tages- und Nachtzeit besuchen konnten, schließlich wohnten wir Tür an Tür und hatten uns immer etwas zu erzählen. In meiner Welt war ich außerdem furchtlos und selbstbewusst. Ich hatte eine Meinung und stand dazu, anstatt wie in Wirklichkeit konfliktscheu zu sein und immer den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen.

Ich versteckte mich auch nicht hinter langen, weiten Klamotten und meinem immerzu gleichen streng gebundenen Pferdeschwanz, sondern kleidete und frisierte ich wie ein ganz normales junges Mädchen.

Ich flüchtete so oft und immer öfter in meine imaginäre Welt, zu meinen unsichtbaren Freunden, dass mir dieses Träumen zur liebsten Beschäftigung wurde. Vielleicht habe ich zuviel oder zulange geträumt und erst viel viel zu spät bemerkt, dass ich meine Phantasiewelt zu einer realen hätte machen sollen.